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04. April 2023, Urbanes Grün

Im Gespräch mit Prof. Dr. Leonie Fischer

Pflanzen sind eine notwendige Komponente, um das ökologische Gleichgewicht in Großstädten aufrechtzuerhalten. 

Prof. Dr. Leonie Fischer, Leiterin des Instituts für Landschaftsplanung und Ökologie der Universität Stuttgart und Mitglied des Innovationsrats Stuttgart, erklärt einige Hintergründe.

Frau Dr. Leonie Fischer, wie kann Grün sinnvoll in bestehende Stadtlandschaften einbezogen werden?

Die öffentliche Debatte und die Erfahrungen aus den letzten Sommern verstärken den Druck auf die Stadt und jeden Einzelnen zu handeln. Dabei geht es neben dem Klimaschutz vor allem auch um unser körperliches Wohlbefinden. Gerade für vulnerable Gruppen, wie Kinder und ältere Menschen, sind zum Beispiel mehr Schattenflächen notwendig, um den Aufenthalt im Freien auch an sehr heißen Tagen zu ermöglichen. Für die Stadtlandschaft heißt das beispielsweise, mehr natürlichen Schatten in die Straßenräume zu integrieren: eine Bank im Schatten für eine Pause auf dem Weg, kürzere Wege für Fußgänger*innen sowie Fahrradfahrer*innen und mehr Grün zwischendrin.  Aber auch im Privaten ist natürlicher Schatten durch Rankpflanzen auf Balkonen und Terrassen sehr angenehm und hat sofort einen positiven Effekt auf das Mikroklima.


Was bringt es tatsächlich, wenn, sagen wir mal, die Fassade jeden zweiten Hauses begrünt oder einige Topfpflanzen im mediterranen Stil in Innenhöfen platziert werden?

Generell kann man sagen, dass private Grünflächen in der Summe viel ausmachen, es ist aber immer sehr schwierig, dies in Zahlen zu fassen, zu bilanzieren. Deswegen ist es auch so wichtig, dass alle sich Gedanken machen, wie wir zum Klimaschutz beitragen können. Das können Kleinigkeiten sein: Zum Beispiel, weniger Rasen zu wässern oder einen Teil des Gartens in eine kleine Wiese umzuwandeln, mit der man die Biodiversität fördert. Viele Menschen merken nach den Dürresommern der letzten Jahre, dass die bisher üblichen Pflanzen nicht mehr funktionieren. Mit naturnahen Pflanzungen aus Kräutern oder Stauden kann man dieses Dilemma lösen und es trotzdem schön haben.

Welche unmittelbaren Auswirkungen hat die Begrünung rund um das Haus?

Fassadengrün kann einen erheblichen Beitrag zur Reduzierung des energetischen Fußabdrucks eines Gebäudes leisten. Studien zeigen, dass durch die Begrünung der Fassade die Oberflächentemperatur des Gebäudes reduziert wird, da die Pflanzen einen Teil der Sonnenstrahlung absorbieren. Zudem wirkt das Fassadengrün wie eine natürliche Dämmung. Neben den energetischen Vorteilen verbessert Fassadengrün außerdem das Stadtklima, indem es Feinstaub und CO2 aus der Luft filtert und Sauerstoff produziert. Zudem trägt es zur Biodiversität bei, indem es Lebensraum für Pflanzen und Tiere, insbesondere Insekten und Vögel, schafft. Das Gärtnern an sich ist eine wunderbare Möglichkeit, sich zu bewegen und sich wohlzufühlen. Zahlreiche Forschungsberichte belegen, dass Gärtnern die psychische und physische Gesundheit der Menschen verbessert. 


Können Sie uns geeignete Pflanzen nennen, die unkompliziert zu pflegen sind?

Wichtig ist, nicht nur möglichst viele, sondern auch die richtigen Pflanzen zu setzen. Im Garten sind Hecken aus unterschiedlichen Sträuchern und einheimischen Pflanzen wie Hartriegel, Holunder oder dem gewöhnlichen Schneeball aus Sicht der Biodiversität empfehlenswert. Die üblichen Balkon- und Blühpflanzen hingegen kommen mit den neuen Begebenheiten in den Hitzesommern oft nicht mehr klar. Schauen wir auf Ökosysteme, in denen bereits seit Jahren ähnliche Bedingungen vorherrschen, können wir entsprechende Empfehlungen aussprechen. Gefragt sind Pflanzenkombinationen, die mit Trockenheit umgehen können und gleichzeitig frostresistent sind. Stauden, wie zum Beispiel die Flockenblume oder die Nachtkerze sind dafür geeignet: Sie müssen wenig gegossen werden, sind unkompliziert in der Pflege und blühen wunderschön. 


Mit welchen Bedenken werden Sie häufiger konfrontiert?

Viele Menschen befürchten, dass eine Begrünung Schäden an Fassaden und Dächern verursachen könnten. Hier können wir meistens entwarnen. Wenn die Fassade oder das Dach intakt sind und die Vorbereitungen fachgerecht getroffen werden, kann eine Begrünung sogar deren Lebensdauer verlängern, denn Pflanzen schützen die Oberflächen vor Witterungseinflüssen und anderen Schäden. Neben wildem Wein oder Efeu eignen sich Pflanzen, die keine direkte Berührung mit der Fassade benötigen, wie zum Beispiel eine Clematis, die sich um eine Seilkonstruktion schlingt und nicht unmittelbar auf der Wand wächst. Wenn dann bei der Planung noch eine sinnvolle Regenwasserlenkung berücksichtigt wird, spart man sich sogar das Wässern. 


Ihr Fazit?

Pflanzen in der Stadt helfen, den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß zu verringern, verbessern die Luftqualität, regulieren das Mikroklima und senken den Lärmpegel. Mehr Grünflächen an Straßen, Plätzen und Parks stärken darüber hinaus die biologische Vielfalt und bieten den Bürgerinnen und Bürgern einen Ort zum Entspannen und Erholen.

Foto: Boris Miklautsch, Universität Stuttgart, Werkstatt für Photographie

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