23. März 2023, Biodiversität
Drei Fragen an...
Dominik Eulberg, Biologe und Techno-DJ
Die Erderwärmung beschleunigt das Verschwinden von Arten und beeinträchtigt das Funktionieren von Ökosystemen. Klimaschutz und Artenschutz sind eng miteinander verzahnt und müssen im Zusammenhang gedacht werden. So können Moore, Wälder und Meere ihre Klimafunktion nur erfüllen, wenn wir ihre Artenvielfalt schützen.
Dominik Eulberg ist Techno-DJ, Umwelt-Biologe und Naturschützer. Er baut Brücken zwischen Artenschutz und Techno-Kultur: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wissen trifft Stadt“ kam er am 3. März 2023 mit seiner Biodiversitätsshow ins Stuttgarter Rathaus. Zentraler Bestandteil der lange im Voraus ausgebuchten multimedialen Live‐Show waren mit Synthesizer eingebundene Klangbilder aus der Natur. In einem Interview lieferte er uns Hintergründe zu seinen Biodiversitätsshows.
1) Dominik Eulberg, wie kamst Du auf die geniale Idee, Artenschutz und Techno miteinander zu kombinieren?
Dominik Eulberg: Das ist ganz intrinsisch bei mir gewachsen. In meiner Kindheit war Natur meine erste große Liebe. Ich bin ohne Fernseher groß geworden und hab den ganzen Tag nur Schmetterlinge bestimmt, Vögel beobachtet und die überbordende Schönheit gefeiert. Musik hat mich gar nicht interessiert – bis ich das erste Mal elektronische Musik entdeckt habe. Das war für mich total faszinierend: Wo kommen diese Sounds her? Da musste ich mit meiner naturwissenschaftlichen Neugier alles explorieren.
Ich habe Ökologie und Umwelt studiert und gleichzeitig schon aufgelegt und Techno-Musik gemacht. Für mich war „Mutter Natur“ die große Inspirationsquelle. Irgendwann habe ich die Kassetten der Vogelstimmen, die ich aufgenommen habe mit den Kassetten meiner ersten Technoklänge miteinander gemischt. Später in meiner Karriere ist das immer mehr und mehr eins geworden, weil ich da total viele Parallelen festgestellt habe.
Mit meiner Musik erreiche ich ganz andere Personen als in meinem früheren Beruf als Nationalpark-Ranger. Wir müssen ganz viel Aufklärung betreiben: Es ist nach wie vor wahnsinnig viel Unwissenheit vorhanden in der Bevölkerung. Das lustvolle und niederschwellige Herangehen über elektronische Musik ist ein wunderbarer Vektor, um neue Bevölkerungsschichten zu erreichen und somit aus fühlenden Minderheiten Mehrheiten zu machen, die etwas verändern können.
2) Wie erreichst Du die Menschen mit Deinen audiovisuellen Reisen und Biodiversitätsshows?
Dominik Eulberg: Die Biodiversitätsshows mache ich erst so richtig seit der Corona-Pandemie – da konnte man nur Sitzkonzerte spielen. Die Musik, die ich mache, ist eigentlich schon zum Tanzen gedacht.... Das war dann eher eine Folter (lacht).
Mein Dasein als Biologe habe ich nie an den Nagel gehängt und ich finde es ganz wunderbar, meine beiden Leidenschaften miteinander zu verbinden – ich bin Künstler und Wissenschaftler in Personalunion. Das Tolle ist, dass ich als freier, unabhängiger Künstler Tacheles sprechen und auch unangenehme evidenzbasierte Kausalketten aufzeigen kann. Ich sehe darin meine Verantwortung, ganz authentisch zu sein.
Ansonsten sind meine Werkzeuge die Menschen zu erreichen: die überbordende Schönheit, die Formen- und Farbvielfalt der „Mutter Natur“ in Form von Videos und Bildern und dann aber auch die Musik in der Natur, die ich live auf der Bühne transkribiere. Es geht immer um das Lustvolle und das Überbordende. Die Natur und ihre Prozesse regen das kindliche Staunen an. Das bringt viel mehr als dieser dystopische Alarmismus, mit dem die Leute schnell resignieren. Am Ende kann man wirklich sinnvolle Handlungsanweisungen mit auf den Weg geben und Gedankengänge anregen.
3) Wie fängst Du den Ruf der Fledermäuse, das Geräusch auf Eis auftreffender Steine und all die anderen Sounds aus der Natur ein?
Dominik Eulberg: Balzrufe von Fledermäusen sind durchaus im hörbaren Bereich für uns, sie klingen fast wie ein Singvogel, beim Abendsegler ist dies etwa gut hörbar. Die Echoortungsrufe der Fledermäuse fange ich mit einem Bat-Detektor ein. Dieser transformiert die Rufe vom Ultraschallbereich in den hörbaren Bereich. Anschließend setze ich die verschiedene Synthesizer-Effekte ein.
Wenn es schnell gehen muss, nehme ich einen Field-Recorder mit Mikrofonen. Und wenn ich richtig tolle Aufnahmen machen will, dann nehme ich sehr hochwertige Mikrofone, Laptop und Soundkarte. Außerdem nutze ich ein sogenanntes Kunstkopf-Mikrofon. Das sind Mikrofone in einem nachgebauten Plastikkopf, die das Geräusch so aufnehmen, wie ein Mensch sie wahrnehmen würde. Gerade um Soundscapes und Atmosphären aufzunehmen, ist das fantastisch.
Solche Aufnahmen mache ich allerdings gar nicht mehr so viel, weil ich mittlerweile schon fast alles habe. Was mich viel mehr interessiert ist die Musikalität in der Schönheit der Natur. Singvögel etwa gibt es schon seit über 33 Millionen Jahren auf diesem Planeten; uns Menschen erst seit 230.000 Jahren. Ich transkribiere Tierstimmen gerne in Midi-Daten oder Noten und lasse sie in meine Musik einfließen. Das ist das, was ich spannend finde, weil es so eine ganz wahrhaftige Schönheit hat.
Foto: Natalia Luzenko, Collage: Landeshauptstadt Stuttgart